GRÜNDERPORTRAIT CHRISTINA GRAEFE

Die Stadt Wiesbaden stellt jeden Monat auf ihrer Website erfolgreiche Existenzgründer vor. Im November 2014 war ich mit einem Portrait dabei. Lies das Interview mit Christina Graefe hier im Wortlaut:

 

Was ist die Besonderheit Ihrer Firma?

Wenn Menschen in ihrem Liebesleben auf ernste Schwierigkeiten stoßen, stehe ich als kompetente Ansprechpartnerin für sie bereit. Als systemische Paar- und Sexualtherapeutin und staatlich anerkannte Heilpraktikerin für Psychotherapie unterstütze ich Singles und Paare jeden Alters und jeder sexuellen Orientierung dabei, individuell stimmige Lösungen für ihre jeweiligen Probleme zu finden. Spezialisiert bin ich auf die Beratung von körperlich behinderten oder versehrten Menschen. Da ich selbst sprechbehindert bin, fließt dabei zu einem wesentlichen Anteil auch meine eigene Lebenserfahrung mit in die Arbeit ein. Das schafft Vertrauen und Verbundenheit mit den betroffenen Klienten. Außerdem begleite ich sehr gern junge Menschen, die noch auf der Suche nach ihrer sexuellen Identität sind, in ihr erwachsenes Leben hinein.

 

Was sind Ihre ersten beruflichen Erfolge?

Zufriedene Klienten, die mir mit leuchtenden Augen und frischen Wangen von ihren Erlebnissen der letzten Nacht berichten.

 

Wie ist Ihr beruflicher Werdegang?

Die meiste Zeit meines Lebens war ich Schauspielerin und Drehbuchautorin für Fernsehserien, wie zum Beispiel „Der Bergdoktor“ im ZDF. Im Jahr 2005 hat mich allerdings die Realität in Form einer Krebserkrankung eingeholt und mich nach einigem Ringen mit einer Sprechbehinderung zurück gelassen. Meine beiden Berufe musste ich in der Folge aufgeben. Mit Hilfe einer unschätzbar engagierten Sachbearbeiterin bei der Arbeitsagentur und der großzügigen Unterstützung durch die Deutsche Rentenversicherung war es mir möglich, eine neue Berufsausbildung zu machen, die meiner Behinderung Rechnung trägt. Ergänzend zur Therapeutin habe ich mich nebenher in einem dreijährigen Lehrgang zur Systemaufstellerin ausbilden lassen.

 

Was war für Sie der Auslöser, ein eigenes Unternehmen zu gründen?

Die Frage: „Willst du in Zukunft irgend einen Job machen, wo deine Behinderung nicht stört, oder willst du dich einer Aufgabe widmen, in der deine Behinderung eine Kompetenz darstellt?“

 

Wer hat Sie beraten, wer sind Ihre Helfer und Mentoren?

Der Verein „Berufswege für Frauen“ hat mich sehr kompetent bei der Erstellung meines Businessplans unterstützt. Michael Czerwinski, der Vermieter meiner Praxisräume, ist Unternehmensberater und steht mir mit seiner Erfahrung und seinem Rat zur Seite. Und meine Familie, meine Freunde und mein Steuerberater sind seit je meine verlässlichsten Begleiter.

 

Wie haben Sie die ersten Tage als Gründerin erlebt?

Da ich zuvor bereits über 20 Jahre lang selbstständig tätig war, waren die Höhen und Tiefen einer Unternehmensgründung nicht mehr ganz neu für mich. Mit 48 Jahren aber noch einmal ganz von vorn anzufangen, ist schon eine Herausforderung – und überdies eine sehr aufregende.

 

Was war Ihre größte Herausforderung und wie haben Sie diese gemeistert?

Im Erstkontakt mit meinen Klienten ist und bleibt meine Sprechbehinderung eine Hürde, die es zu meistern gilt. Ich habe zunächst versucht, dem auszuweichen, indem ich zum Beispiel meinen Anrufbeantworter von einem befreundeten Schauspieler habe besprechen lassen. Das hat sich aber als Augenwischerei erwiesen. Letztlich gewinne ich das Vertrauen meiner Klienten dadurch, „was“ ich sage und nicht, „wie“ ich es sage.

 

Wie machen Sie auf Ihr Unternehmen aufmerksam? Was ist Ihre beste Vermarktungsidee?

Ich habe viel Arbeit in einen professionellen Webauftritt investiert, weil ich davon ausgehe, dass meine Klienten sich zunächst genau informieren wollen, bevor sie sich mit etwas so Intimem wie ihrem Liebesleben einem fremden Menschen anvertrauen. Außerdem habe ich mich mit themenverwandten Fachärzten hier in Wiesbaden und Umgebung vernetzt, um Synergien zu schaffen. Ich werbe über Online-Pressemitteilungen für meine Praxis und veröffentliche in einem Blog auf meiner Website regelmäßig Fachliches und Persönliches zu vielen Themen rund um die Liebe.

 

Wie haben Sie die Finanzierung Ihrer Gründung umgesetzt?

Mit tapfer gespartem Eigenkapital.

 

Welchen Traum möchten Sie noch verwirklichen?

Ich möchte ein Buch veröffentlichen. Darin soll es um meine privaten, beruflichen, medizinischen, bürokratischen, meine alltäglichen wie auch nicht ganz alltäglichen Erfahrungen im Umgang mit Krankheit und Behinderung, Krise und Neubeginn gehen. Sozusagen ein Wegbegleiter für Betroffene im Wandlungsprozess.

 

Bitte ergänzen Sie folgenden Satz: Wenn ich mehr Zeit hätte würde ich…

…endlich das Buch zu Ende schreiben.

 

Was ist Ihr besonderer Tipp: Was würden Sie Gründerinnen und Gründern empfehlen?

Verkauft euer Können und eure Zeit nicht unter Wert. Lieber einen Kunden oder eine Kundin auch einmal nicht gewinnen, als den Wert eurer Leistung zur Verhandlung stellen.

 

Das Interview ist zum ersten Mal im November 2014 auf der Website der Stadt Wiesbaden erschienen:

Bildquelle: Christina Graefe | Fotograf: Marco Stirn